Informationen und Tipps für Lehrerinnen und Lehrer für den Umgang mit betroffenen Kindern

 

In der Lehrerausbildung und im Fortbildungsangebot werden die Phänomene Legasthenie und Dyskalkulie nur unzureichend berücksichtigt. Daher kommt es vielfach zu Unsicherheiten und auch zu Fehlverhalten, was sehr schwerwiegende Folgen für betroffene Schüler/innen haben kann.

Bereits in der 2. Grundschulklasse kann man Anzeichen einer Legasthenie/ Dyskalkulie erkennen. Ist die Lese-/Rechtschreib-/Rechenleistung eines Kindes deutlich niedriger als die der übrigen Altersgruppe, seien Sie sehr aufmerksam. Geben sie sich nicht damit zufrieden, dass es statistisch nicht ungewöhnlich ist, wenn 1-2 Schüler/innen pro Klasse leistungsmäßig nicht mit den anderen mithalten können. Lernschwierigkeiten haben sehr unterschiedliche Ursachen und denen muss immer auf den Grund gegangen werden. Vermeiden Sie vorschnelle Diagnosen („Ihr Kind hat keine Legasthenie/Dyskalkulie!"). Ein deutlicher Fall von Legasthenie/ Dyskalkulie mag für einen Laien möglicherweise deutlich erkennbar sein. Der eindeutige Ausschluss einer Legasthenie/Dyskalkulie ist aber immer die Aufgabe eines Fachdiagnostikers und nur durch spezielle Testverfahren möglich. Nehmen Sie Hinweise der Eltern sehr aufmerksam wahr, denn die Eltern bemerken häufig zuerst, dass die Lese-/Rechtschreib-/oder Rechenleistung deutlich schwächer ist, als es die allgemeine Intelligenz des Kindes erwarten ließe. Zu häufig werden Eltern mit folgenden Hinweisen vertröstet: „Machen Sie sich mal nicht verrückt, das gibt sich schon irgendwann!“ oder „Passen Sie auf, im nächsten Jahr macht er/sie einen Sprung!“ oder „Ihr Kind ist vielleicht ein Spätentwickler!“ Dies mag gelegentlich zutreffen. Nicht selten aber geht mit dem Abwarten wertvolle Zeit verloren, in der dem Kind schon effektiv hätte geholfen werden können. 

Meist halten sich legasthene/dyskalkule Kinder für minderbegabt und leiden sehr unter ihren Schwierigkeiten. Das Selbstwertgefühl in Bezug auf die eigene Leistungsfähigkeit ist sehr angeschlagen, obwohl weder die Legasthenie noch die Dyskalkulie auf mangelnde Intelligenz zurückzuführen sind. Leider passiert es immer noch häufig, dass Kinder vor ihren Klassenkameraden bloßgestellt werden. Zeigen Sie legasthenen/ dyskalkulen Schüler/innen, dass Sie Interesse an ihren Problemen haben und haben Sie Geduld, Ausdauer und Verständnis, auch wenn es manchmal schwerfällt. Der zusätzliche Zeitaufwand wird sich mit Gewissheit lohnen. Denn nicht selten neigen Kinder, die keine angemessene Behandlung erfahren, zu Verhaltensauffälligkeiten, die meist sehr nervenaufreibend sind, und ebenfalls viel Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Einen Legastheniker immer wieder auf die hohe Anzahl seiner Fehler aufmerksam zu machen, ist nicht sinnvoll. „Achte auf deine Rechtschreibung!“ - „Das sind viel zu viele Fehler!“ - „Das kannst du besser!“ - „Arbeite an deiner Rechtschreibung!“ - „Du hast die Aufgabenstellung nicht richtig gelesen.“ Dies sind Bemerkungen, die Schüler/ Schülerinnen mit gravierenden Lese-/Rechtschreibproblemen alltäglich unter ihren schriftlichen Arbeiten lesen. Derartige Bemerkungen helfen dem Kind in keiner Weise, möglicherweise hat es sie auch schon hundertfach gelesen bzw. gehört. Wenn sich der Schüler/die Schülerin schon lange um die Verbesserung der Rechtschreibung bemüht, sind solche Bemerkungen zudem extrem ungerecht. Jegliche Art von Frustration führt zu einer Verstärkung der Problematik und nicht selten werden die Kinder an den Rand der Verzweiflung getrieben.

Erkennen Sie die Bemühungen des Kindes an, denn sein Mehraufwand ist erheblich. Nicht nur, dass es viel mehr Zeit für die Erledigung der Hausaufgaben und die Vorbereitung auf Klassenarbeiten benötigt, häufig wendet es auch noch viel Zeit für Förderunterricht auf. Je wohler sich ein Kind im Unterricht fühlt, je weniger Angst es hat, umso größer ist die Aufmerksamkeit.

 

Bitte beachten Sie außerdem,

  • dass es eine Qual für das leseschwache Kind ist, vor der Klasse vorlesen zu müssen. Kündigen Sie vor der gesamten Klasse an, dass nur derjenige vorliest, der es auch wirklich möchte, damit das legasthene Kind nicht fürchten muss, dass es möglicherweise doch irgendwann vorlesen muss.
  • dass legasthene/lese-rechtschreib-schwache Kinder mit den herkömmlichen Korrekturzeichen überfordert sind, geben Sie ihnen daher immer auch das richtige Wortbild vor.
  • dass sich eine Legasthenie/LRS/Dyskalkulie/Rechenschwäche auch in anderen Unterrichtsfächern niederschlägt . Informieren Sie deshalb unbedingt Ihre Kollegen und Kolleginnen.
  • dass viele Kinder mit Teilleistungsschwächen häufig sehr gut logisch denken können, manche zeigen auf mündlicher Ebene sogar eine Sprachbegabung, andere sind extrem kreativ im musischen oder künstlerischen Bereich. Honorieren Sie solche Leistungen und schenken Sie dem Kind viel Beachtung bezüglich seiner persönlichen Stärken. Das ist Balsam für die Seele von Kindern, die nebenher viele schulische Misserfolge verkraften müssen.

Informieren Sie sich über die gesetzlichen Spielräume für die individuelle Förderung von Schülern und Schülerinnen mit Teilleistungsschwächen. In Hamburg gibt es hierfür die

Handreichung Nachteilsausgleich HH
HR_Nachteilsausgleich_final_2013_04_02-1
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Im Rahmen des Nachteilsausgleichs sind folgende Erleichterungen für Schüler/Schülerinnen mit einer Teilleistungsschwäche möglich:

• Zeitzuschlag bis zur Hälfte der regulären Arbeitszeit, z.B. bei Klassenarbeiten  oder anderen schriftlichen Arbeiten in allen Fächern,

• Bereitstellen von technischen und didaktischen Hilfsmitteln (z.B. Duden, elektronische Textverarbeitung, Anschauungsmittel im Rechnen),

•  Vorlesen von Aufgabenstellungen in allen Fächern,

•  Erteilen von mündlichen Aufgaben, die auch mündlich beantwortet werden, statt schriftlicher Arbeiten in Deutsch und Mathematik. (Auszug aus der o.g. Richtlinie)

 

Oberstes Ziel ist es, Frustration zu vermeiden und eine angstfreie Atmosphäre zu schaffen. Unter dieser Voraussetzung und mit Ihrer Unterstützung ist es dann auch möglich, Lernerfolge zu erzielen.

Richtlinie AUL
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